Illustration eines Mannes, der sich mit einer Hand an den Kopf fasst und mit der anderen an den unteren Rücken.

3 Mythen über Operationen bei Rückenschmerzen

Wir entschlüsseln die häufigsten OP-Mythen mit wissenschaftlichen Fakten. So kannst du guten Gewissens eine informierte Entscheidung treffen!

Rehmesmee Gojowy

6 Min. Lesezeit · Feb 16, 2024
Illustration eines Mannes, der sich mit einer Hand an den Kopf fasst und mit der anderen an den unteren Rücken.

Hast du schon mal gehört, dass bei Rückenschmerzen oft zu schnell zum Skalpell gegriffen wird?

Tatsächlich ist das ein ziemlich heiß diskutiertes Thema, sowohl unter Mediziner:innen als auch in den Medien.1,2,3 Es gibt Meinungen und auch einige Irrtümer darüber, wann es wirklich sinnvoll ist, sich wegen Rückenschmerzen operieren zu lassen.

Einige Menschen berichten, dass eine Operation (OP) ihr Leben verändert hat und sie endlich schmerzfrei sind. Aber es gibt auch diejenigen, die erzählen, dass sich ihre Situation gar nicht verbessert hat, oder die Schmerzen nach einer Weile wieder zurückgekommen sind.

Jetzt fragst du dich bestimmt: „Was macht den Unterschied? Welche Faktoren spielen eine Rolle für den OP-Erfolg? Und was kann ich selbst tun, um sicherzustellen, dass ich die Behandlung bekomme, die für meinen Rücken die richtige ist?“

Genau darüber wollen wir in diesem Artikel sprechen. Wir schauen uns drei weit verbreitete Mythen über Operationen bei Rückenschmerzen an und machen uns auf die Suche nach Fakten. Bereit für ein bisschen Aufklärungsarbeit? Los geht’s!

Mythos 1: Operiert wird nur im Ausnahmefall – wenn es unausweichlich und die Erfolgswahrscheinlichkeit entsprechend hoch ist.

Fakt ist: Operationen sind keine Ausnahmefälle! Die Häufigkeit von Operationen an der Wirbelsäule hat in den letzten Jahren in Deutschland sogar stark zugenommen. 

Beginnen wir mit einer bemerkenswerten Statistik aus der Welt der Rückenleiden: In Deutschland ist die Zahl der Wirbelsäulenoperationen in den letzten Jahren stark angestiegen. So hat die Bertelsmann-Stiftung herausgefunden, dass Operationen am Rücken zwischen 2007 und 2015 um ganze 71 Prozent gestiegen sind. Wow, oder?4

Natürlich sorgt so ein Anstieg für reichlich Gesprächsstoff und auch kritische Stimmen. Einige Menschen sind der Meinung, dass diese Operationen oft mehr aus wirtschaftlichen als aus medizinischen Gründen durchgeführt werden.5

Ob es sich um Geschäftemacherei handelt, können wir natürlich nicht sagen. Wichtiger ist zu schauen, wie es den Patient:innen nach einer Operation geht.

Tatsächlich gibt es viele Patient:innen, die nach einer Wirbelsäulenoperation eine deutliche Schmerzlinderung erfahren. Ein echter Lichtblick für diejenigen, die vielleicht schon lange unter Rückenschmerzen leiden. Andererseits gibt es auch Fälle, bei denen Patient:innen nach der OP keinen Unterschied spüren und die Schmerzen genauso stark bleiben wie vorher.

Das wirft natürlich Fragen auf: Warum helfen die Operationen einigen und anderen nicht? Sind wir vielleicht manchmal zu vorschnell mit der Entscheidung für eine OP? Lass uns das gemeinsam weiter erforschen.

Mythos 2: Operationen führen bei Rückenschmerzen, unabhängig von den Ursachen, immer zur Schmerzfreiheit

Fakt ist: Die genaue Diagnose ist für den Operationserfolg entscheidend.

Zunächst ein Reality-Check: Die Präzision der Diagnose ist das A und O für den Erfolg einer Operation. Wie wir schon in anderen Artikeln besprochen haben, finden Ärzt:innen bei 80 bis 90 Prozent der Rückenschmerzpatient:innen keine spezifische Ursache, die man direkt angehen könnte. Diese Art von Schmerzen nennen sich nicht-spezifische Rückenschmerzen.6

Bei nicht-spezifischen Rückenschmerzen raten Wissenschaftler:innen und Mediziner:innen von einer Operation ab.7,8 Ja, richtig gehört. Die aktuellen VersorgungsLeitlinien sind sich da einig: Ohne klare Ursache, kein Schnitt.9

Wenn nicht klar ist, wo genau das Problem liegt, kann eine Operation keine Lösung sein.

Eine OP bietet außerdem keine Garantie für ein schmerzfreies Leben ist. Erstmal geht es darum, genau zu verstehen, was hinter den Schmerzen steckt. Nur so kann entschieden werden, ob eine Operation für dich wirklich der richtige Weg ist.

Mythos 3: Zeigen medizinische Bilder Veränderungen an der Wirbelsäule, ist eine Operation der beste Weg.

Fakt ist: Fast jeder Mensch zeigt Veränderungen an der Wirbelsäule auf Röntgen- oder MRT-Aufnahmen. Das Spannende daran? Die meisten dieser Leute haben wenig bis gar keine Beschwerden.10

Da stolpern wir über eine ziemlich große Grauzone. Es gibt Veränderungen, die Schmerzen verursachen könnten – aber eben nicht müssen. Genau hier wird’s kompliziert: Denn wenn wir vorschnell operieren, nur weil wir etwas auf einem Bild sehen, steigen wir in ein Boot, das vielleicht gar nicht in Richtung Schmerzfreiheit segelt.

Das Risiko ist beachtlich. Laut Wissenschaftler:innen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Operation am Rücken nicht den erhofften Erfolg bringt, bei 40 Prozent. Für dieses Phänomen haben sie sogar einen eigenen Namen erfunden: das „Failed-Back-Surgery-Syndrome“, zu Deutsch etwa das Syndrom der fehlgeschlagenen Rückenoperation.11.12 

Das bedeutet nicht, dass Operationen niemals die Lösung sind, aber es unterstreicht, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen und alle Optionen abzuwägen. Nicht jede Veränderung auf dem Bild bedeutet gleich, dass man unters Messer muss. Es geht darum, klug zu entscheiden, welche Schritte Sinn machen.

Also, wie dringend sind Operationen an der Wirbelsäule? 

Prinzipiell gilt: Vieles kann operiert werden, aber nur in sehr wenigen Fällen muss man operieren. Dazu gehören beispielsweise Bandscheibenvorfälle, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen:

Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule: Wann operiert werden sollte und wann operiert werden kann

Zuerst die Fakten: Die aktuellen VersorgungsLeitlinien wurden sowohl von Chirurg:innen als auch nicht-operativ tätigen Ärzt:innen, auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Standes der Medizin erstellt. Diese Empfehlungen sind zwar nicht in Stein gemeißelt, geben aber einen gut erforschten Behandlungsstandard vor. Diese Leitlinien geben ziemlich konkret vor, aus welchen Gründen dringlich operiert werden sollte.13

Stell dir zum Beispiel vor, der Bandscheibenvorfall drückt so stark auf das Rückenmark oder einen Nerv, dass plötzlich Muskelkraft schwindet oder sogar die Kontrolle über Blase oder Darm verloren geht. In diesen Fällen sagen Expert:innen: Ja, hier muss operiert werden!

Darüber hinaus sagen die Leitlinien auch, bei welchen Fällen operiert werden kann, aber nicht muss:

Wenn trotz ausgeprägter nicht-operativer Therapie, zum Beispiel durch Physiotherapie und die Einnahme von Schmerzmitteln:

a.) deine Beschwerden nicht besser werden und
b.) deine Beschwerden eindeutig zu den Veränderungen passen, die auf medizinischen Bildern dargestellt werden.13
Dann heißt es: Eine Operation könnte helfen, ist aber deine Entscheidung.

Bei den meisten Patient:innen mit einem Bandscheibenvorfall ist eine OP also nur eine von vielen Optionen. Es ist eine Möglichkeit, aber oft nicht der erste Weg, den du gehen solltest. Wichtig ist, dass du eine gut durchdachte Entscheidung triffst, basierend darauf, wie stark deine Beschwerden sind, wie deutlich die Symptome zu den Bildern passen und natürlich, was du selbst möchtest.

OP ja oder nein: Nimm dir Zeit für eine ausführliche Abklärung körperlicher und psychischer Faktoren

Wenn es um die Entscheidung geht, ob eine Rückenoperation der richtige Weg ist, dann ist eines klar: Eile mit Weile. Das gilt besonders, wenn weder Nerven noch das Rückenmark in ihrer Funktion beeinträchtigt sind und die Stabilität der Wirbelsäule nicht auf dem Spiel steht. In solchen Fällen ist Zeit dein Freund, und eine sorgfältige, wohlüberlegte Entscheidung ist Gold wert.

Wissenschaftliche Beiträge betonen immer wieder, wie wichtig eine gründliche Untersuchung und die sorgfältige Auswahl der Patient:innen durch den Operateur sind. Diese sogenannte Indikationsstellung ist entscheidend, um die Zahl der Operationen, die letztendlich nicht den gewünschten Erfolg bringen, zu minimieren.11

Aber hier hört die Geschichte noch nicht auf. Bevor du dich für eine Operation entscheidest, sollten auch andere, tiefer liegende Faktoren berücksichtigt werden. Hast du gewusst, dass zwischen psychologischen Aspekten wie Stress oder Depressionen und Rückenschmerzen ein enges Wechselspiel besteht?14 Es ist also kaum verwunderlich, dass solche psychologischen Faktoren einen enormen Einfluss darauf haben können, ob eine Operation am Ende als Erfolg gewertet werden kann oder nicht.15,16,17

Trotz dieser Erkenntnisse erhalten nur sehr wenige Patient:innen vor einer Rückenoperation entsprechende Untersuchungen, die zum Beispiel feststellen könnten, ob Risikofaktoren wie ein bereits ausgebildetes Schmerzgedächtnis vorliegen. Das bedeutet, dass eine umfassende Abklärung – über das rein Körperliche hinaus – nicht nur sinnvoll, sondern essentiell ist, um sicherzustellen, dass eine Operation wirklich der beste Weg nach vorne ist.

Das kannst du tun, wenn dir eine Rückenoperation empfohlen wurde

Falls dir eine Rückenoperation vorgeschlagen wurde, halt mal kurz inne und lass uns durchgehen, was du jetzt tun kannst.

Zuerst solltest du sicherstellen, dass du wirklich alles über die Chancen, Risiken und Alternativen der Operation weißt. Hat dich dein Arzt bzw. deine Ärztin umfassend aufgeklärt?

Wenn du noch Zweifel hast, hol dir am besten eine Zweitmeinung ein. Es ist wirklich erstaunlich, wie oft eine zweite fachkundige Meinung die Perspektive ändern kann. Übrigens unterstützen auch viele Krankenversicherungen ihre Versicherten dabei, indem sie Beratungsprogramme anbieten oder dich direkt an ausgewiesene Expert:innen vermitteln. Ein kurzer Anruf bei deiner Versicherung kann sich also richtig lohnen.18,19

Interessanterweise zeigen diese Programme zur Zweitmeinung oft, dass viele Patient:innen letztendlich von einer Operation absehen.20

Wissenschaftliche Studien untermauern ebenfalls, dass eine zweite Meinung dabei helfen kann, unnötige Operationen zu erkennen und zu vermeiden.21,22

Der Schlüssel liegt darin, vor einer möglichen Operation so viele Informationen wie möglich aus vertrauenswürdigen Quellen zu sammeln. Denn nur wenn du gut informiert bist, kannst du gemeinsam mit deinem Arzt bzw. deiner Ärztin die Therapieoption wählen, die wirklich zu dir passt.

Expert:innen empfehlen: Du solltest dir genug Raum geben, ohne Druck die für dich passende Behandlung auszuwählen.5 Es geht um deine Gesundheit, deine Zukunft und letztlich um deine Lebensqualität. Also, nimm dir die Zeit, die du brauchst, um eine informierte Entscheidung zu treffen.

Kurz gesagt

Rückenprobleme sind komplex, und die Lösungen dafür sind es auch. Aber mit dem richtigen Wissen, einem verständnisvollen Arzt an deiner Seite und einem kritischen Blick auf die eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten kannst du einen Weg finden, der dir hilft, deine Lebensqualität zu verbessern.

Denk daran, du bist nicht allein auf diesem Weg. Es gibt viele Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten, die dir helfen können, informierte Entscheidungen zu treffen. Deine Gesundheit und dein Wohlbefinden sind das Ziel, und jede Entscheidung sollte in diese Richtung führen.

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Quellen 

  1. https://www.stern.de/gesundheit/ruecken/therapie/operationen-gegen-rueckenschmerzen-wegschaben–verkochen–absaugen-3560808.html
  2. https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/schmerz/rueckenschmerzen/article/857037/rueckenschmerzen-finger-weg-opioid-op.html
  3. http://www.zeit.de/2016/11/rueckenschmerzen-operation-wirbelsaeule-therapie
  4. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/VV_FC_Rueckenoperationen_Studie_dt_final.pdf
  5. http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/ruecken/therapie/tid-24925/rueckenschmerzen-85-prozent-der-ruecken-ops-sind-ueberfluessig_aid_709750.html
  6. http://www.patienten-information.de/patientenleitlinien/patientenleitlinien-nvl/html/kreuzschmerz/kapitel-4
  7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24012430
  8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24200413
  9. http://www.patienten-information.de/patientenleitlinien/patientenleitlinien-nvl/html/kreuzschmerz/kapitel-8
  10. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19532001?dopt=Abstract
  11. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5106227/#b5-jpr-9-979
  12. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4590156/
  13. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-058l_S2k_Lumbale_Radikulopathie_2013_abgelaufen.pdf
  14. http://www.patienten-information.de/patientenleitlinien/patientenleitlinien-nvl/html/kreuzschmerz/kapitel-5
  15. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25955092
  16. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24417814
  17. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18806999
  18. https://nordost.aok.de/inhalt/rueckenspezial-zweitmeinung-vor-einer-ruecken-op/
  19. https://www.tk.de/techniker/service/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/orthopaedische-erkrankungen/bandscheibenvorfall-op-ja-oder-nein-2023610?ref=tkde
  20. http://aspenmp.de/wp-content/uploads/2016/07/Zweitmeinung-bei-operativen-Eingriffen-TK.pdf
  21. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25947932
  22. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24340231

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