Hallo und herzlich willkommen zu dieser Entdeckungsreise in die Welt der Schmerzen – ja, genau, Schmerzen! Anlässlich des Welttags der Frauengesundheit am 28. Mai 2024, tauchen wir in ein Thema ein, das uns alle betrifft, aber auf vielfältige Weise.
Wusstest du, dass Frauen* und Männer Schmerzen nicht nur verschieden wahrnehmen, sondern auch unterschiedlich darauf reagieren? Dieses Phänomen hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Behandlung von Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtern und das Verständnis von Schmerzen im Allgemeinen. Lass uns gemeinsam herausfinden, was die Forschung dazu sagt und warum es wichtig ist, diese Unterschiede zu kennen und sie in der Medizin zu berücksichtigen.
*In unserem Artikel betrachten wir diese Unterschiede sowohl aus Perspektive des biologischen Geschlechts, das auf Basis der Geschlechtsorgane und Hormone definiert wird als auch des sozialen Geschlechts, das eng mit gesellschaftlichen, kulturellen und sozialisationsbedingten Faktoren verknüpft ist.
Grundlagen der Schmerzwahrnehmung
Zuerst die Basics: Was ist Schmerz eigentlich? Schmerz ist ein komplexes und hoch subjektives Erlebnis, das auftritt, wenn dein Nervensystem Alarm schlägt. Denk an das letzte Mal, als du dir versehentlich den kleinen Zeh am Couchtisch gestoßen hast – aua! Dieser Schmerz ist nicht nur ein Signal deines Körpers, um dich zu schützen, sondern auch ein kompliziertes Zusammenspiel zwischen deinem Körper und deinem Gehirn.
Einfach gesagt reagieren die freien Nervenenden in deinem kleinen Zeh auf den Druck von außen. Deine Nerven leiten den Reiz anschließend über das Rückenmark zu deinem Gehirn weiter.1 Dort nimmt ihn dein sogenanntes limbisches System in Empfang und bewertet die Empfindung – ein unangenehmes Gefühl entsteht. Du hast Schmerzen.2
Wenn du Sprüche wie „Große Mädchen weinen nicht” oder „Beiß die Zähne zusammen” kennst, verstehst du sicher, dass deine Sozialisation einen Einfluss auf deinen Umgang mit diesen Schmerzen hat.
Schmerz auszuhalten gilt beispielsweise als Tugend, auch heute noch.
Wie intensiv du Schmerzen wahrnimmst, hängt jedoch noch von weiteren Faktoren ab. Eine entscheidende Rolle spielt dabei dein biologisches Geschlecht, das sowohl körperlich als auch psychisch auf deine Schmerzempfindung einwirkt.
Unterschiede in der Schmerzwahrnehmung zwischen Frauen und Männern
Die Art und Weise, wie und wie häufig Frauen und Männer Schmerzen erleben, unterscheidet sich deutlich. Ein interessantes Beispiel sind Rückenschmerzen, von denen Millionen Menschen weltweit betroffen sind. Studien zeigen jedoch, dass Frauen häufiger von Rückenschmerzen berichten als Männer. Aber warum ist das so? Wir gehen den wichtigsten Faktoren auf den Grund.
Biologische Faktoren
Frauen und Männer unterscheiden sich biologisch entscheidend durch die Zusammensetzung ihrer Hormone. Diese spielen eine bedeutende Rolle bei der Schmerzregulation. Zum Beispiel kann der Zyklus einer Frau ihre Schmerzempfindlichkeit beeinflussen: Hormonschwankungen während der Periode begünstigen die Produktion bestimmter Botenstoffe. Das führt zu einer höheren Schmerzempfindlichkeit.
Außerdem steigert das weibliche Geschlechtshormon Östrogen das Schmerzempfinden, während es durch das Testosteron bei Männern eher gesenkt wird.3
Erkrankungen, die mit Rückenschmerzen einhergehen, werden bei Frauen im Schnitt außerdem häufiger diagnostiziert. Dazu gehören beispielsweise Migräne, Fibromyalgie oder Rheuma.3,4
Auch evolutionär gesehen gibt es Gründe, warum Frauen Schmerzen anders wahrnehmen als Männer. Frauen haben ein empfindlicheres Nervensystem, dadurch reagieren sie schneller auf Schmerzen und verhalten sich entsprechend vorsichtiger, um diesen zu vermeiden. Das ist übrigens ein Grund, warum Frauen seltener in körperliche Auseinandersetzung verwickelt sind, statistisch gesehen weniger Alkohol trinken und eher auf einen gesunden Lebensstil achten als Männer.5 Evolutionär betrachtet passen Frauen eher auf sich auf, um fähig zu sein und zu bleiben, Kinder zu gebären und aufzuziehen. Daher ist Schmerz ein wichtiges Warnsignal, um sich zu schützen und sich schnell um Linderung zu bemühen.
Psychologische und soziale Faktoren
Kommen wir nun zu den psychischen und sozialen Faktoren, die natürlich Menschen aller Geschlechtsidentitäten betreffen können.
Frauen neigen generell dazu, über ihre Schmerzen offener zu sprechen und Hilfe zu suchen, während Männer oft dazu erzogen werden, „stark zu sein“ und Schmerzen ohne Klagen zu ertragen. Diese sozialen Erwartungen können dazu führen, dass Männer weniger über ihre Schmerzen berichten, auch wenn sie genauso intensiv sind. Dennoch liefert die Forschung Hinweise darauf, dass selbst hinter emotionalen Reaktionen auf Schmerz durchaus biologische Ursachen stecken können.
Bei Frauen zeigt sich beispielsweise, dass Hirnareale, die mit Gefühlen assoziiert sind, bei Schmerzen stärker aktiviert werden. Das führt unter anderem dazu, dass Frauen ihre Schmerzen differenzierter beschreiben können und auch bei einem Arztbesuch eher von den sozialen und gefühlsmäßigen Auswirkungen des Schmerzes berichten.5 Andere Studien zeigen, dass erlernte Bewältigungsstrategien, Überzeugungen und das Selbstvertrauen ebenfalls einen Einfluss auf das Schmerzempfinden haben.6
Ein weiterer Schmerzverstärker, der uns vor allem im Alltag plagt, ist Stress. Frauen schütten das Stresshormon Cortisol tatsächlich schneller aus als Männer und haben somit ein erhöhten Risiko, dass sich die Stressreaktion chronifiziert, was zu einer dauerhaft erhöhten Schmerzempfindlichkeit führen kann.7
Auswirkungen auf Behandlung und Schmerzmanagement
Die unterschiedliche Schmerzwahrnehmung der Geschlechter führt auch zu Unterschieden in der Behandlung und Einschätzung der Schmerzen.
Ärzt:innen können beispielsweise dazu neigen, die Schmerzen von Frauen eher als psychisch bedingt zu diagnostizieren, was zu einer Unterbehandlung führt. Eine Studie konnte sogar belegen, dass Männer mit akuten Schmerzen in der Notaufnahme schneller behandelt werden als Frauen.8
Auch erhalten Frauen eher Beruhigungsmittel als Schmerzmittel, auch wenn sie die gleichen Symptome aufweisen wie Männer.8 Bei jeder Form der medikamentösen Behandlung von Schmerzen sind außerdem unbedingt geschlechtsspezifische Wirkweisen und Nebenwirkungen zu betrachten.9
Darüber hinaus gibt es immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit den unterschiedlichen Effekten von Bewegungstherapie bei sogenannten muskuloskeletalen Erkrankungen beschäftigen, zu denen auch Rückenschmerzen gehören. Patientinnen mit chronischen Rückenschmerzen profitieren beispielsweise eher von intensiven dynamischen Übungen für die Rückenmuskulatur, während eine Kombination unterschiedlicher Behandlungsansätze (Ergotherapie, Wärmeanwendungen, Bewegungstherapie und Teilmassagen) bei Männern effektiver war.10
Diese Forschungsergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, geschlechtssensible, personalisierte Therapiekonzepte zu entwickeln, die biologische, psychologische und soziale Faktoren berücksichtigen. Dazu gehört auch, dass du als Patientin oder Patient noch besser über deinen Körper aufgeklärt wirst, damit Unterschiede ausgeglichen und eine effektive Behandlung sichergestellt werden kann.
Frauen in der Schmerzforschung
Die Repräsentation von Frauen in der Schmerzforschung hat sich im Laufe der Jahre verbessert, bleibt jedoch ein kritisches Thema. Historisch gesehen wurde medizinische Forschung überwiegend mit männlichen Probanden durchgeführt, was zu Wissenslücken in Bezug auf die weibliche Physiologie führte.11,12 Seit den Neunziger Jahren beschäftigt sich aus diesem Grund die Gendermedizin intensiv mit der geschlechtsspezifischen Behandlung und Erforschung von Krankheiten.
Aktuelle Entwicklungen
Aktuell gibt es internationale Bestrebungen, sowohl Frauen als auch Männer in klinischen Studien gleichermaßen zu berücksichtigen, um geschlechtsspezifische Effekte medikamentöser und nicht-medikamentöser Behandlungen besser zu verstehen. In der EU gibt es beispielsweise seit 2022 eine gesetzliche Pflicht für Arzneimittelhersteller:innen, in ihren klinischen Studien auf eine repräsentative Geschlechterverteilung zu achten.12
Dies ist ein entscheidender Schritt, um sicherzustellen, dass medizinische Behandlungen für Frauen genauso optimiert werden wie für Männer. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. So hat sich in medizinischen VersorgungsLeitlinien die männliche Sichtweise bereits gefestigt, ohne dass die weiblichen Geschlechtsorgane oder auch die Sexualität von Frauen ausreichend berücksichtigt werden. Zudem fehlt es immer noch an Forschung im Bereich frauenspezifischer Erkrankungen und Symtome, wie beispielse Endometriose oder dem prämenstruellen Syndrom (PMS).13
Kurz gesagt
Die Anerkennung und das Verständnis der unterschiedlichen Schmerzwahrnehmung zwischen Frauen und Männern ist entscheidend für die Entwicklung effektiver und gerechter medizinischer Behandlungskonzepte.
Zum diesjährigen Welttag der Frauengesundheit ist es uns besonders wichtig, auf diese Unterschiede hinzuweisen und die Bedeutung der Gendermedizin zu betonen!
Lass uns gemeinsam daran arbeiten, eine Medizin zu fördern, die keine Geschlechtergrenzen kennt und die Gesundheit aller Menschen gleichberechtigt behandelt. Dazu zählt auch, dass du als Patient oder Patientin ausreichend informiert bist, um wichtige Fragen zu stellen und so die bestmögliche Behandlung für deine Schmerzen erhältst. Wir hoffen, dass wir dir mit diesem Artikel bereits dabei geholfen haben.
Quellen
- https://www.hexal.de/schmerz
- https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/gehirn-nerven/akuter-und-chronischer-schmerz-wie-schmerz-entsteht/
- https://www.bonifatius-hospital-lingen.de/unternehmen/aktuelles/meldungen/unterschiedliches-schmerzempfinden-bei-maennern-und-frauen.html#:~:text=Viele%20Untersuchungen%20haben%20gezeigt%2C%20dass,weibliche%20%C3%96strogen%20steigert%20es%20dagegen.
- https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/52567/Rueckenschmerzen-Frauen-oefter-betroffen-als-Maenner
- https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/mensch/ungleichbehandlung/schmerzempfinden-maenner-frauen-1124278
- https://oegpb.at/2014/10/22/geschlechtssensible-therapiekonzepte-in-der-schmerztherapie/
- https://www.zdf.de/nachrichten/ratgeber/gesundheit/schmerz-empfinden-mann-frau-gendermedizin-100.html
- https://www.zeit.de/kultur/2018-05/endometriose-frauen-chronische-krankheit-diagnose-behandlung-10nach8/seite-2
- https://www.bonifatius-hospital-lingen.de/unternehmen/aktuelles/meldungen/unterschiedliches-schmerzempfinden-bei-maennern-und-frauen.html
- https://oegpb.at/2014/10/22/geschlechtssensible-therapiekonzepte-in-der-schmerztherapie/
- https://www.mdr.de/wissen/gender-medizin-datenerhebung-frauen-fehlen-100.html
- https://www.bkk-dachverband.de/versorgung/arzneimittel/der-feine-unterschied
- https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/143247/Geschlechterspezifische-Gesundheit-Forschung-und-Versorgung-verbessern
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