* Wenn wir in diesem Artikel von Ärzten und Patientinnen sprechen, meinen wir Menschen aller Geschlechtsidentitäten. Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen, gendern wir nicht wie üblich mit Doppelpunkt, sondern haben bunt gemischt. Viel Freude beim Lesen!
Rückenschmerzen können wirklich lästig sein, aber keine Sorge, es gibt viele Ärztinnen, die darauf spezialisiert sind, dir wieder auf die Beine zu helfen oder besser gesagt, eine schmerzfreie Aufrichtung zu ermöglichen! Sie haben alle Hände voll zu tun, denn tatsächlich gibt es in Deutschland jährlich über 38 Millionen Arztbesuche aufgrund von Rückenschmerzen.1
Wenn du dich fragst, wohin du dich bei Rückenschmerzen als erstes wenden sollst, bist du hier genau richtig! Unser Ärzte-Wegweiser führt dich durch das Labyrinth der verschiedenen Fachrichtungen, damit du genau weißt, welche Anlaufstelle bei deinen Beschwerden die richtige ist. Los geht’s!
Anamnese und Diagnosestellung
Zu welchem Arzt du auch gehst, an erster Stelle steht immer die Anamnese. Die Anamnese beginnt in dem Moment, in demwenn du dich auf den Praxisstuhl setzt und von deinen Schmerzen berichtest. Der Arzt wird dir einige detaillierte Fragen zu deinen Beschwerden, aber auch zu deiner deiner Krankengeschichte stellen.2,3 Dazu gehören Fragen, wie:
- Wann haben die Schmerzen begonnen?
- Wie sindwürden Sie die Schmerzen zu beschreiben, zum Beispiel stechend oder ziehend?
- Wann treten die Schmerzen auf, zum Beispiel morgens oder abends?
- Wo genau sind die Schmerzen lokalisiert?
- Gibt es bestimmte Aktivitäten oder Positionen, die den Schmerz verstärken oder lindern?
- Haben Sie Begleitsymptome wie Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Schwäche in den Beinen?
- Welche bisherigen Behandlungen wurden angewandt, bzw. gibt es Medikamente, die aktuell eingenommen werden?
In einem nächsten Schritt wird der Arzt eine körperliche Untersuchung durchführen.
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung dient dazu, die Quelle des Schmerzes genauer zu bestimmen und andere mögliche Ursachen auszuschließen. Zu den Untersuchungsmethoden gehören4:
- Inspektion der Haltung: Bewertung der Körperhaltung im Stehen, Sitzen und Gehen.
- Palpation: Tastuntersuchung der Wirbelsäule, Muskeln und Gelenke, um Bereiche zu identifizieren, die besonders schmerzen oder verspannt sind.
- Bewegungstests: Die Ärztin bittet den Patienten, bestimmte Bewegungen auszuführen, um die Beweglichkeit der Wirbelsäule, Bänder, Gelenke, Muskeln und Sehnen zu bewerten.
- Neurologische Tests: Überprüfung von Reflexen, Muskelkraft und Sinnesempfindungen, um neurologische Ursachen der Rückenschmerzen zu erkennen.
Auf Basis deiner Krankengeschichte und der körperlichen Untersuchung kann der Arzt eine Aussage darüber treffen, ob deine Rückenschmerzen spezifisch oder nicht-spezifisch sind. Bei Verdacht auf eine spezifische Ursache, beispielsweise einen Bandscheibenvorfall, eine Entzündung der Wirbelsäule oder einen Wirbelbruch, wird er sofort weiterführende Diagnostik anordnen oder dich zu einer Spezialistin schicken. In den meisten Fällen sind Rückenschmerzen jedoch nicht-spezifisch.4 Liegt keine eindeutig organische Ursache vor, sind meist Bewegungsmangel, Stress oder Fehlbelastungen des Rückens die Auslöser.
Aber gehen wir nochmal einen Schritt zurück. Bevor wir wissen, woher die Rückenschmerzen kommen, tun sie in erster Linie tierisch weh. Auf der Suche nach Hilfe stehen wir erstmal vor der Frage, wer uns überhaupt unterstützen kann. Macht es Sinn, zum Hausarzt zu gehen oder lieber gleich eine Orthopädin aufzusuchen? Wir zeigen dir, was die unterschiedlichen Fachrichtungen bei Rückenschmerzen für dich tun können.
Allgemeinmedizinerin: Deine erste Ansprechpartnerin
Beginnen wir mit der Allgemeinmedizinerin, oft auch Hausärztin genannt. Sie ist meist die erste Anlaufstelle bei Rückenschmerzen. Die Hausärztin kann eine erste Beurteilung vornehmen und dich gegebenenfalls an spezialisierte Ärzte überweisen, wenn es nötig sein sollte.
Hier sind einige Gründe, warum der Besuch bei einer Hausärztin mit Rückenschmerzen sinnvoll ist:
- Ersteinschätzung: Deine Hausärztin kann feststellen, ob deine Rückenschmerzen durch eine einfache Verspannung, eine falsche Bewegung oder möglicherweise durch schwerwiegende Ursachen wie eine Infektion oder eine Erkrankung verursacht werden.
- Management einfacher Fälle: Viele Rückenschmerzen können mit nicht verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln, Wärmeanwendungen und einfachen Anpassungen des Lebensstils behandelt werden. Deine Hausärztin kann dir spezifische Ratschläge geben, was in deinem Fall helfen könnte.
- Überweisung zu Spezialisten: Falls erforderlich, kann deine Hausärztin dich an einen Orthopäden, eine Schmerztherapeutin oder andere Fachärzte überweisen, die auf Probleme des Muskel-Skelett-Systems spezialisiert sind.
- Langzeitbetreuung: Deine Hausärztin kann auch deine langfristige Anlaufstelle sein, um deine Rückengesundheit im Auge zu behalten und bei Bedarf weiterführende Untersuchungen oder Behandlungen zu koordinieren.
Orthopäde: Der Spezialist fürs Skelett
Bei anhaltenden oder sehr starken Rückenschmerzen ist der Orthopäde gefragt. Dieser Spezialist für Knochen, Gelenke und Muskeln kann tiefergehende Ursachen erkennen und behandeln, von Bandscheibenvorfällen bis hin zu angeborenen Fehlbildungen der Wirbelsäule.
Hier sind einige Gründe, warum ein direkter Besuch beim Orthopäden sinnvoll sein kann:
- Spezialisiertes Wissen: Orthopäden verfügen über tiefgehende Kenntnisse der Struktur und Funktion des Bewegungsapparates sowie der damit verbundenen Erkrankungen und Verschleißerscheinungen. Sie können spezifische Ursachen von Rückenschmerzen erkennen und entsprechende Behandlungen empfehlen.
- Diagnostische Möglichkeiten: Wie Hausärztinnen auch, können Orthopäden weiterführende Diagnostik anordnen, zum Beispiel Röntgenbilder, eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine Computertomographie (CT), um die genaue Ursache der Rückenschmerzen zu ermitteln.
- Zielgerichtete Behandlungen: Aufgrund ihrer Spezialisierung können Orthopäden gezielte Behandlungsoptionen anbieten, die von medikamentöser Behandlung über Akupunktur bis hin zu operativen Eingriffen reichen können, je nachdem, was in deinem Fall notwendig ist.
- Chronische Erkrankungen: Orthopäden sind auf die Behandlung einer Reihe von chronischen Erkrankungen spezialisiert, die zu Rückenschmerzen führen können, darunter Arthrose, Arthritis, rheumatische Erkrankungen und Osteoporose.5,6
- Verletzungen: Bei Sportverletzungen, wie beispielsweise einem Kreuzband- oder Meniskusriss, Verstauchungen sowie Sehnen- und Muskelverletzungen sind Orthopäden deine erste Anlaufstelle, da sie ein tiefgehendes Wissen über den Stütz- und Bewegungsapparat haben.7
Neurologin: Wenn die Nerven im Spiel sind
Sollten deine Rückenschmerzen mit Taubheitsgefühlen oder Kribbeln verbunden sein, könnte eine Neurologin die richtige Ansprechpartnerin sein. Sie befasst sich mit Erkrankungen des Nervensystems, die mit Rückenschmerzen in Zusammenhang stehen. So zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall, der auf eine Nervenwurzel drückt oder eine Einengung des Rückenmarkkanals.8 Neurologinnen nutzen unter anderem folgende diagnostische Verfahren:
- Neurologische Untersuchung: Untersuchung zur Beurteilung von Reflexen, Muskelkraft, Muskeltonus und Fähigkeit zur Bewegung. Grundsätzlich können alle Körperbereiche, vom Gehirn bis zu den Fußzehen, neurologisch untersucht werden. Auch die Empfindungsfähigkeit, die kognitiven Fähigkeiten sowie Motorik und Koordination können bei Neurologinnen getestet werden.9
- Elektrophysiologische Tests: Einschließlich Elektromyographie (EMG) und Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen, um die elektrische Aktivität der Muskeln und Nerven zu messen. Bei Bedarf können Neurologinnen auch eine Lumbalpunktion im Lendenbereich vornehmen, um Nervenwasser zu entnehmen. So kann eine Reihe chronisch-entzündlicher Erkrankungen diagnostiziert werden.10
Neurologinnen sind auch in der Lage, Patienten über das Management von Langzeitsymptomen zu beraten, insbesondere wenn chronische Schmerzzustände vorliegen. Sie können Strategien zur Schmerzbewältigung vorschlagen und den Patienten helfen, ihre Lebensqualität bestmöglich zu erhalten.
Schmerztherapeut: Experte für chronische Schmerzen
Wenn die Rückenschmerzen zu einem chronischen Problem geworden sind, kann ein Besuch beim Schmerztherapeuten sinnvoll sein. Genau genommen sind Schmerztherapeuten Ärzte, die sich auf die Behandlung von Schmerzen spezialisiert oder die Weiterbildung „spezielle Schmerztherapie” absolviert haben. Daher haben sie ein breites Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten, besonders bei lang anhaltenden Schmerzzuständen.11
Schmerztherapeuten nehmen eine umfassende Bewertung deiner Schmerzgeschichte, deiner aktuellen Schmerzzustände und deiner bisherigen Behandlungsansätze vor. Sie müssen ihre Patienten genau kennen, um auf Basis dieser Informationen einen personalisierten Behandlungsplan entwickeln zu können, der verschiedene Aspekte berücksichtigt:
- Multimodale Ansätze: Oft arbeiten Schmerztherapeuten in einem multidisziplinären Team zusammen mit Physiotherapeuten, Neurologinnen, Orthopäden und anderen Spezialistinnen, um eine ganzheitliche Behandlung zu gewährleisten. Die Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie ist der Goldstandard in der Behandlung von Rückenschmerzen und hat sich besonders bei chronischen Schmerzen bewährt. Die Therapie umfasst neben Bewegung auch Entspannungstechniken und Stressbewältigung sowie Wissensvermittlung zum Thema Rückenschmerzen.12
- Medikamentöse Therapien: Schmerztherapeuten können zusätzlich Medikamente verschreiben oder anpassen, die speziell auf die Art des Schmerzes und die individuellen Bedürfnisse der Patientin abgestimmt sind.
- Interventionelle Techniken: Schmerztherapeuten sind ausgebildet in der Anwendung von Verfahren wie epiduralen Steroidinjektionen und anderen minimal-invasiven Methoden, die direkt an den Nervenstrukturen ansetzen, um Schmerzen zu lindern und Nervenblockaden zu lösen.
Wie du siehst, bietet jedes Fachgebiet spezielle Fähigkeiten und Ansätze, um dir zu helfen, deine Rückenschmerzen zu bewältigen. Abhängig von der Art und Schwere deiner Beschwerden kann es sinnvoll sein, mehrere Spezialistinnen zu konsultieren. Höre auf deinen Körper und zögere nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dein Rücken wird es dir danken!
Quellen
- https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2016/november/volksleiden-rueckenschmerzen-viele-arztbesuche-und-untersuchungen-sind-ueberfluessig
- https://www.leitlinien.de/themen/kreuzschmerz/2-auflage/kapitel-3
- http://www.gesundheits-lexikon.com/Ruecken/Ischialgie-Lumboischialgie-/Anamnese.html
- https://www.researchgate.net/publication/232322311_Die_korperliche_Untersuchung_bei_Schmerzen_im_Lendenwirbelsaulenbereich
- https://www.tk.de/techniker/magazin/sport/gesunder-ruecken/ursachen-von-rueckenschmerzen-2007860
- https://www.medi.de/gesundes-leben/aerzte-therapeuten/orthopaede/
- https://www.ratgeber-nerven.de/rueckenschmerzen/hilfe/welcher-arzt/orthopaedie/
- https://www.ratgeber-nerven.de/rueckenschmerzen/hilfe/welcher-arzt
- https://www.gesundheitsinformation.de/was-passiert-bei-einer-neurologischen-untersuchung.html
- https://www.helios-gesundheit.de/magazin/news/02/nervenwasseruntersuchung/
- https://www.dieschmerztherapie.de/wasistschmerztherapie
- https://www.schmerzgesellschaft.de/topnavi/patienteninformationen/netzwerke-der-versorgung/interdisziplinaer-multimodale-schmerztherapie
0 Kommentare