Rückenschmerzen bei Männern: Warum viele oft zu spät reagieren - und was Mann besser machen kann

Anlässlich des Monats der Männergesundheit im November fragen wir uns: Warum reagieren Männer bei Rückenschmerzen oft zu spät? Denn obwohl Rückenschmerzen alle Geschlechter betreffen, zeigen Männer oft ein anderes Verhalten im Umgang damit als Frauen. Wir zeigen dir, was bei Männern, ihrem Rücken und Schmerzen anders läuft – und was man(n) tun kann, bevor der Körper auf die Bremse tritt.

Mara Dietrich
  • 9 Min. Lesezeit
  • Nov. 21, 2025

Rückenschmerzen sind nämlich kein Frauenthema, sondern zählen zu den häufigsten Volkskrankheiten und betreffen alle Geschlechter. Zwar zeigen Zahlen des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2020 1 , dass Frauen häufiger an Rückenschmerzen leiden (66 % gegenüber 56 % bei Männern), doch Männer lassen sich deutlich öfter deswegen krankschreiben. Laut der AOK waren es innerhalb eines Jahres rund 800.000 Männer gegenüber 447.000 Frauen 2,3.

Ein Widerspruch? Nicht ganz. Denn Männer haben andere Risikofaktoren. Dazu gehören körperliche und psychische Gründe sowie unterschiedliche Lebensstile. Insgesamt erweist sich das ‘stärkere Geschlecht’ nämlich nicht unbedingt als Vorbild in Sachen Gesundheit. Das erklärt auch die deutlich geringere Lebenserwartung im Vergleich zu Frauen: Zahlen belegen, dass Männer häufiger Alkohol trinken, sich ungesünder ernähren, mehr rauchen und sich weniger um Vorsorgemaßnahmen bemühen als Frauen. 4

Wir haben uns diese Unterschiede im folgenden Artikel für dich genauer angesehen. Lies weiter und erfahre, was bei Männern anders läuft. Denn wer die spezifischen Risikofaktoren kennt, kann gezielt entgegenwirken und seinen Rücken besser schützen.

1. Männer ignorieren Warnsignale länger

Die einen nennen es vielleicht ‘schmerzresistent’, aber in der Realität zeigt sich einfach: Männer reagieren später. Und im Alltag zeigt sich das genau dann, wenn es schon zu spät und der Schmerz entsprechend stark ist. Laut dem TK-Gesundheitsreport werden Männer vor allem wegen Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems krankgeschrieben und bleiben dann im Schnitt fast drei Wochen zu Hause. 5 Bei Frauen hingegen kommen Beschwerden hinzu, die nicht nur durch Stress, sondern auch durch den weiblichen Zyklus und die dahinterstehenden biologischen Prozesse verursacht werden. Diese Faktoren schärfen  mitunter das Bewusstsein für Schmerz und körperliche Veränderungen. 6 Man kann also sagen, dass die Schmerzwahrnehmung bei den Geschlechtern sogar unterschiedlich ist. Hier kannst du dazu noch mehr erfahren. 

Doch das Problem liegt tiefer: Neben der mangelnden Achtsamkeit spielt auch die Stigmatisierung psychischer Probleme eine Rolle. Aufgrund von Vorurteilen nehmen viele Männer körperliche Beschwerden immer noch ernster als seelische. Dabei können Rückenschmerzen oft durch beides verursacht werden. Eine „larvierte Depression“ (also eine versteckte depressive Episode mit körperlichen Symptomen) kann sich als hartnäckiger Rückenschmerz zeigen, ohne dass der eigentliche Auslöser erkannt wird. Anne Plidschun, Psychologin bei Kaia Health beschreibt das so:

„Viele Männer akzeptieren körperliche Schmerzen eher als seelische Belastungen. Rückenschmerzen wirken dann oft greifbarer. Dies passt zu der traditionellen Vorstellung, dass man Schmerzen aushalten und Stärke zeigen sollte, so dass Schmerz durch Überlastung entsteht. Über Stress oder Angst zu sprechen, fällt dagegen vielen Männern immer noch schwerer.“

Unser Tipp:
Wenn du regelmäßig Verspannungen, Druck im unteren Rücken oder anhaltende Schmerzen hast, lohnt sich ein Blick über den Tellerrand in Richtung möglicher Ursachen: Wie geht’s dir mental wirklich? Rückenschmerzen sind manchmal ein körperliches Warnsignal für Stress, Druck oder ungelöste Themen und dürfen auch als solches gesehen werden. Wichtig ist, dass du eine Chance hast, deine Schmerzen zu reduzieren und das Problem an der richtigen Stelle angehst.

2. Anatomie & Alltag: Warum Männer anders belasten.

Möglicherweise arbeitest auch du, wie viele Männer, manchmal körperlich einseitig (z. B. durch vieles Heben, langes Sitzen oder Fahren) oder betreibst Sportarten mit plötzlichen Belastungsspitzen wie Fußball und Krafttraining. Dabei fehlt oft das nötige Ausgleichstraining für die Rumpfmuskulatur und deine Beweglichkeit.

Tatsächlich sind Männer überdurchschnittlich oft in diesen Berufs- und Sportarten aktiv. Hinzu kommt, dass diese konstanten Belastungen den Körper auf Dauer auch anders beeinflussen als bei Frauen. 

Denn der Körperbau spielt eine wichtige Rolle:

Unterschiedliche körperliche Veranlagungen bei Männern können außerdem erklären, warum sie häufiger von Schmerzen im unteren Rücken betroffen sind. Denn unsere unveränderlichen anatomischen Unterschiede führen auch zu verschiedenen Schwachstellen im Bewegungsapparat.  

Im Durchschnitt verfügen Männer beispielsweise über mehr Muskelmasse, besonders im Oberkörper. Das bringt zwar Vorteile in Sachen Kraft und Stabilität (etwa beim Heben oder Tragen), birgt  aber auch Risiken bei einseitigen Belastungen. Denn viel Muskulatur bedeutet nicht automatisch mehr Beweglichkeit. Vor allem Brust-, Schulter- und untere Rückenmuskulatur neigen bei Männern dazu, sich zu verkürzen, wenn gezielte Ausgleichsbewegungen fehlen. Das kennst du vielleicht von einem Muskelkater oder einem Hexenschuss in bestimmten Bereichen des Rückens, der sich dann ‘steifer’ anfühlt. Diese muskulären Verkürzungen können zu Zugspannungen im unteren Rücken führen oder die natürliche Beweglichkeit der Wirbelsäule einschränken. 

Mehr Muskelmasse bietet zwar eine hohe Stabilität und kann das Verletzungsrisiko potenziell verringern, doch die von Natur aus höhere Grundspannung geht bei einseitiger Belastung leicht in ungesunde Verspannungen über. Besonders häufiges Krafttraining oder körperlich anspruchsvolle Berufe (mit wiederkehrenden Belastungen oder in gebückter Haltung) begünstigen sogenannte asymmetrische Muskelmuster. Das kannst du dir vereinfacht so vorstellen, als ob du eine Tasche für Monate immer auf einer Seite trägst oder immer auf der gleichen Backenseite kaust. 

Im Rücken sieht das so aus: Wenn die tiefliegende Rumpfmuskulatur, die für die Stabilisierung der Wirbelsäule zuständig ist, nicht gleichmäßig trainiert wird, entsteht ein Ungleichgewicht. Fachleute sprechen hier von muskuläre Dysbalancen. Diese Ungleichgewichte wirken sich auf die gesamte Körperstatik  und den Muskelapparat aus und erzeugen einen ‘ungleichen’ Zug an anderen Muskeln. Das führt auf Dauer zu Verspannungen, Überlastungen und Schmerzen, typischerweise Bereich der Lendenwirbelsäule. Doch in diesem Bereich liegt nicht die einzige Schwachstelle.

Das männliche Becken – steife Hüften olé

Stabilität und Stärke sind aber nicht alles. Der männliche Körperbau ist darüber hinaus für ein paar “Eigenheiten” bekannt, besonders wenn es um die Hüfte geht. Männer haben in der Regel ein breiteres Kreuz und ein schmaleres Becken als Frauen. Das verändert die Statik des Körpers. Während ein breites Kreuz für eine starke obere Rückenmuskulatur sorgen kann, bedeutet ein schmaleres Becken weniger natürliche ‘Abfederung’ im Beckenbereich. Also genau dort, wo die Wirbelsäule auf das Becken trifft. 

Und noch eine schlechte Nachricht: Das Becken bei Männern ist zusätzlich weniger nachgiebig als bei Frauen. Das ist zum einen anatomisch bedingt, denn die weibliche Beckenform ist breiter und leicht nach vorne geneigt (antevertiert), was die Kraftübertragung beim Gehen oder Stehen etwas gleichmäßiger verteilt. Bei Männern ist das Becken schmaler, höher und steiler, was zu einer höheren Last auf den Lendenbereich führen kann.7

Zum anderen weisen Frauen einen höheren Hormonspiegel des Hormons Relaxin auf (besonders in Schwangerschaft und Zyklusphasen), welches das Becken – genau genommen die Bänder, Sehnen und Gelenkkapseln – elastisch hält. Das hat sich die Natur im Falle einer Geburt sinnvoll ausgedacht, damit Beckenring und Schambeinfuge beweglich bleiben.  Männer besitzen ebenfalls Relaxin, allerdings in deutlich geringerer Konzentration. Bei ihnen wirkt es vor allem im kardiovaskulären System und nicht stark auf das Bindegewebe oder das Becken.8

Beim männlichen, weniger flexiblen Becken wirken deshalb also mehr Kräfte direkt auf die Lendenwirbelsäule und können dort Schmerzen verursachen.7 Das gilt vor allem bei Tätigkeiten mit viel Druck oder Rotation, wie z. B. beim Fußball,  Berufen mit starker körperlicher Belastung oder langem Sitzen.

Unterschiedliche Muskelfasertypen

Aber auch Unterschiede in der Muskulatur beeinflussen, wie der Rücken auf Belastung reagiert. Die Muskelfasertypen in unseren Körpern können sich unterscheiden. Letztendlich sind alle Körper verschieden. Aber Männer tendieren dazu, einen höheren Anteil an sogenannten Typ-II-Fasern zu besitzen. 9,10,11 Das sind schnell kontrahierende, sogenannte glykolytische Fasern, die in Typ IIa und IIx unterschieden werden. Sie sind besonders auf Kraft und kurze, explosive Leistungsspitzen ausgelegt.12

Frauen hingegen haben tendenziell mehr Typ-I-Fasern. Sie arbeiten langsamer, aber stabilisieren Belastungen langfristig. Typ I Fasern sind also eher ausdauernde, langsam kontrahierende, oxidative Muskelfasern.13

Für den Rücken bedeutet das: der männliche Bewegungsapparat ist eher auf Spitzenkraft ausgelegt, der weibliche eher auf Dauerleistung. Das erklärt auch, warum Männer nach einem intensiven Training oder einem anstrengenden Arbeitstag häufiger unter akuten Überlastungen und Verspannungen leiden, während Frauen öfter langfristig schmerzhaft verspannen (chronische muskuläre Dysbalancen). 

Achtung, denn ab Mitte 30 macht sich das deutlich bemerkbar. Das Ortho­zentrum Berlin beobachtet, dass sich Kreuzschmerzen bei Männern in diesem Alter häufen. Dies ist häufig durch berufliche und sportliche Belastungen bedingt.4 Wer viel sitzt, fährt oder hebt, trainiert oft nur einen kleinen Bewegungsradius. Wenn Beweglichkeit und Rumpfstabilität vernachlässigt werden, reagiert dein Rücken darauf mit Steifheit, Fehlhaltungen oder Schmerzen.

Männer haben also das Potential zu kräftigeren Muskeln. Aber die Herausforderung liegt oft in der Balance zwischen Stabilität und Flexibilität. Genau diese Kombination, gepaart mit Unterschieden in Becken und Muskelfasern, macht den männlichen Rücken anfälliger für Überlastung. Deshalb ist es so wichtig, dass du Ausgleich, Mobilität und Entspannung im Alltag nicht vernachlässigst.

Unser Tipp:

Beziehe diese Learnings in dein Training mit ein: denn Balance ist alles.

  • Baue Rumpfstabilität und Mobilität gleichwertig auf: Yoga oder Mobility-Training sind keine „Frauensache“.
  • Teste aktive Pausen im Arbeitsalltag: 2 Minuten Schulterkreisen oder Hüftmobilisation wirken Wunder. Da du jetzt weißt, dass die Hüfte bei Männern anfälliger ist, kannst du sie bewusst beweglich halten!
  • Überprüfe dein Sitzverhalten: dynamisch sitzen, regelmäßig aufstehen, am besten im Wechsel mit Steharbeit. Abwechslung in deiner Arbeitsposition wirkt Wunder!

3. Dein Lebensstil – ein unterschätzter Faktor

Viele Risikofaktoren für Rückenschmerzen sind tatsächlich durch unsere Entscheidungen oder äußere Gegebenheiten begünstigt. Dazu gehören nicht nur Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen und eine ungesunde Ernährung, sondern auch Stress. 

Auch wenn Männer seltener über Stress sprechen, ist er oft einer der Hauptauslöser für Rückenschmerzen. Das ist wenig überraschend und kann mit Zahlen sogar belegt werden. Denn laut Berichten einiger Krankenkassen beeinflussen psychische Belastungen wie Leistungsdruck, fehlende Pausen oder Sorgen um den Job direkt die Muskelspannung.5 Dein Körper reagiert dann mit einer Daueranspannung der Rückenmuskulatur und startet einen Teufelskreis, der ohne bewusste Entspannung und Kräftigung der Muskulatur schwer zu durchbrechen ist.

Da Männer im Schnitt auch mehr Alkohol trinken und rauchen, was zum Beispiel den Körper und die Bandscheiben dehydriert, gehören gesundheitliche Nebenwirkungen und erhöhtes Gewicht zu weiteren Faktoren, die die Gesundheit und den Rücken negativ beeinflussen können.4
Übergewicht etwa erhöht den Druck auf die Lendenwirbelsäule enorm. Gleichzeitig führt es dazu, dass deine Muskeln und Faszien schlechter durchblutet werden, was zu Verspannungen und Schmerzen führen kann.

Gut zu wissen:

Übrigens besteht bei Männern häufiger als bei Frauen das Risiko von Nierensteinen. Dabei handelt es sich um kleine Klumpen, die meist über den Urin ausgeschieden werden. Große Nierensteine hingegen können im Harnleiter stecken bleiben und je nach Position und Lage stechende, krampfartige und wellenförmige Rückenschmerzen auslösen. Bei Frauen ist das im Gegenzug häufiger bei einer Nierenbeckenentzündung der Fall. Das macht einmal mehr klar, wie wichtig es ist, dass Männer sich um eine bessere Vorsorge kümmern und ihre Achtsamkeit auf Gesundheit ernst nehmen sollten. Eine frühzeitige Abklärung von Schmerzursachen empfiehlt sich also.

Kurz gesagt:

Rückenschmerzen kennen kein Geschlecht, aber es gibt Unterschiede darin, wie sie verursacht werden. Männer gehen dabei anders mit ihnen um als Frauen und das oft zu spät oder zu hart. Über Schmerzen zu sprechen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern demonstriert Verantwortung. 

Es ist also hilfreich, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wann man(n) mal Pause machen sollte. Progressive Muskelentspannung und Achtsamkeit sind kein spiritueller Quatsch, sondern können dabei helfen, den Körper und äußere Einflüsse besser wahrzunehmen. Wer seinen Körper kennt, frühzeitig reagiert und Bewegung, Ernährung und Psyche zusammen denkt, kann viel verändern. Stark ist, wer rechtzeitig hinschaut. Schau gerne direkt in unserem Erste-Hilfe-Guide bei Rückenschmerzen vorbei oder in unseren Artikel zur Hilfe bei akuten Schmerzen.

Geschrieben von
Mara Dietrich

Mara arbeitet seit 2023 bei Kaia Health und ist für Öffentlichkeitsarbeit, Content und Social Media Kanäle verantwortlich. Sie jongliert täglich PR-Anfragen, schreibt Pressemitteilungen oder dreht Material für Social Media. Dazu schreibt sie hier Artikel über spannende Themen.

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